Mindener Tageblatt, 07. 05. 2003

Von klein auf verliebt ins Big Monster

Raoul Krameyer ist mit Leib und Seele Schausteller / 28-Jähriger kaufte sein Lieblingskarussell

Von Ulrike Mißbach

Minden (mt). Morgens gibt es ein Brötchen auf die Hand. Dass Schausteller Raoul Krameyer sich lange an den Frühstückstisch setzt, ist eher die Ausnahme.

„Ich habe immer irgend etwas zu erledigen, bevor dass eigentliche Fahrgeschäft anläuft“, erzählt er. Der 28-Jährige ist mit Leib und Seele Schausteller. Schon als Kind war für ihn klar, dass er in die Fußstapfen seiner Vorfahren treten wird. „Meine Eltern hatten einen Schießstand und später das Fahrgeschäft Ramba Zamba“, berichtet der junge Schausteller.

Seine ganze Liebe galt jedoch von klein auf dem „Big Monster“, ein krakenähnliches Karussell. Und so bedurfte es auch keiner langen Überlegungen, als ein Kollege vor sechs Jahren das „Big Monster“ zum Verkauf anbot. Raoul Krameyer griff zu und erstand das 16 Jahre alte Fahrgeschäft zum stolzen Preis von rund 500 000 Euro (damals eine Million Mark). Von seinen Eltern erfuhr der damals 22-Jährige volle Unterstützung.

Um ihrem Sohn den Schritt in die Selbstständigkeit zu ermöglichen, nahmen sie eine Bürgschaft auf ihr Haus auf. „Wer im Alter keine Schulden mehr haben möchte, muss möglichst früh ins Geschäft mit einsteigen“, so die Devise der Familie. Als dann jedoch vor eineinhalb Jahren der Vater starb, verlor der junge Mann für kurze Zeit die Zuversicht, doch bisher sei zum Glück alles irgendwie gut weitergelaufen, meint er. „Solange es nicht mehrere Wochen lang hintereinander Dauerregen gibt, kann ich noch gut schlafen.“

Rund 25 Wochen pro Jahr unterwegs

Doch auch ohne Regen merken die Schausteller, dass den Leuten das Geld nicht mehr so locker in den Taschen sitzt. „Es kommen zwar immer mehr Besucher, doch sie geben deutlich weniger Geld aus“, weiß der junge Schausteller. Größte „Konkurrenz“ bei den Teenagern ist das Handy. „Die Kids geben mittlerweile so viel Geld dafür aus, dass sie oft für die Kirmes kein Geld mehr übrig haben“, erklärt Raoul Krameyer.

Rund 25 Wochen ist der junge Mann pro Jahr ständig unterwegs. Seit eineinhalb Jahren begleitet ihn seine 26-jährige Freundin Daniela Golenia, die zufällig zu den Schaustellern stieß. „Sie hat bei Bekannten ausgeholfen und da haben wir uns kennen gelernt“, freut sich der junge Schausteller. Anfangs blieb die junge Frau zwar noch zu Hause, entschied sich dann jedoch, mit auf Reisen zu gehen. Auch an das Leben im Wohnwagen hat sich die 26-Jährige längst gewöhnt. „Wir haben ja alles, was man so braucht“, meint Raoul Krameyer. Die Familie ist dem 28-Jährigen sehr wichtig. „Ohne Familie geht gar nichts, wir haben einen sehr großen Zusammenhalt“, erklärt er. So helfe man sich gegenseitig beim Aufbau und unterstütze sich gegenseitig wo immer es nötig sei. Außerdem hat Raoul Krameyer vier polnische Angestellte. Die Männer arbeiten – im Wechsel – für jeweils sechs Monate für ihn. Trotz hoher Arbeitslosigkeit, so Krameyer, gebe es kaum deutsche Männer oder Frauen, die für einen Schausteller arbeiten wollten.

Ihren festen Wohnsitz hat Familie Krameyer in Herford, wo Raoul und sein Bruder auch die Schule besucht haben. „Unsere Eltern wollten nicht, dass wir ständig andere Schulen besuchen, deshalb haben wir – von der Grundschule an – in einem Heim für Schaustellerkinder gewohnt“, erinnert sich Raoul Krameyer. Von dort aus besuchten die Brüder Regelschulen. An den Wochenenden ging es jedoch fast immer „nach Hause“ – sprich auf den jeweiligen Platz, auf dem das Fahrgeschäft der Familie gerade aufgebaut war. „Unsere Eltern haben es uns freigestellt, ob wir eine Lehre machen oder gleich mit ins Geschäft einsteigen wollten“, erklärt der 28-Jährige. Für ihn sei jedoch gleich klar gewesen, dass er Schausteller wird.

Eine Ausbildung zum Schausteller gibt es nicht, obschon die Arbeit mehrere Berufe vereint. „Wir sind Kaufmann, Buchhalter, Elektriker, Logistiker und Spediteur in einem“, meint Raoul Krameyer. Wichtig sei, dass er auf genügend guten Plätzen sein Fahrgeschäft aufbauen könne.

Im Herbst wird zumeist die Route für das nächste Jahr festgelegt. „Dann bewerbe ich mich in mehreren Städten und lege danach die Tour fest.“ Für den Aufbau benötigt das Team rund zwei Tage, da alles genau vermessen werden muss, denn „Sicherheit“, so Krameyer, sei das oberste Gebot. „Ich habe es niemals bereut, dass ich Schausteller geworden bin“, erklärt Raoul Krameyer.

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